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29.12.09

Es begab sich aber zu der Zeit... Teil 6

Josef, der zunehmend in Panik geriet, rannte zum Brunnen zurück, wo er Maria zurückgelassen hatte. Als er sie nicht neben dem Esel stehend sah, setzte sein Herz eine Sekunde lang aus, aber es klopfte umso schneller, als er merkte, dass sie an der Brunnenwand zusammen gesunken war.

Er klopfe an eine letzte Tür, ein großes Haus gegenüber dem, bei dem er angefangen hatte, und redete schon los, als die Tür auch nur einen Spalt weit geöffnet war. „Bitte! Meine Frau bekommt gerade ein Kind, und niemand kann uns helfen!“
Der Mann – ein kleiner Mensch, der so rundlich war, dass sein Kopf direkt auf den Schultern zu sitzen schien – öffnete die Tür weiter, und seine Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen, als er Maria neben dem Brunnen sitzen sah.
„Ich flehe dich an“ fuhr Josef fort, und es war ihm egal, ob man ihm seine Verzweiflung anhörte. „Ich erwarte ja nicht, dass du uns in deinem Haus aufnimmst – alles ist uns recht. Wir brauchen nur irgendeinen Unterstand, wo meine Frau sich hinlegen und wo eine Frau bei der Geburt helfen kann.“
Der Mann zögerte kurz und flüsterte dann jemandem hinter der Tür etwas zu.
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Der kleine Mann hielt eine Öllampe hoch und geleitete Josef und den Esel eine Gasse hinunter, hin zu dem Stall, in dem er seine Tiere untergebracht hatte. Ein paar Ziegen scharrten unruhig mit den Füßen, als sie eintraten, und ein Maultier zuckte mit den Ohren in ihre Richtung, bevor es wieder eindöste.
Der Mann, der sich ihnen als Thomas vorgestellt hatte, wartete, bis Josef Maria geholfen hatte, sich auf einen Ballen Heu zu setzen, und reichte ihm dann die Lampe. „Es tut mir leid, aber mehr kann ich euch nicht anbieten.“
Josef nahm die Lampe und schenkte dem Mann ein Lächeln, das von Herzen kam. „Vielen Dank. Kennst du zufällig eine Hebamme?“
„Es gab eine Hebamme in Bethlehem“, sagte Thomas. „Dorcas. Aber die ist gestern gestorben.“
Josef stöhnte, und das Herz klopfte ihm wie wild in der Brust. „Bitte. Das Kind kommt jeden Moment und ich weiß nicht … ich habe noch nie …“
„Jede Frau wird wissen, was zutun ist.“ Der Händler sah zu Maria hinüber die sich an einem Stück Zaun festkrallte. „Ich würde ja meine Frau vorbeischicken, aber die hat mit unseren Gästen schon alle Hände voll zu tun. Du kannst ja versuchen, eine Frau zu finden, die mit dir hierher kommt … „
„Josef!“ Maria klang erschöpft, aber zutiefst entschlossen. „Geh nicht. Ich brauche dich jetzt.“

Als der Händler sie verlassen hatte, sah Maria ihren Mann durch einen Schleier aus Tränen hindurch an. Er hatte eine Unterkunft für sie gefunden, er hatte eine Lampe besorgt, sie waren in Sicherheit und im Trockenen. Sie musste ihr Kind immerhin nicht auf der Straße zur Welt bringen.
„Maria.“ Josef kniete neben ihr und nahm ihre Hand. „Ich weiß nicht, wie man das hier macht. Ich bin noch nie in einem Haus gewesen, in dem eine Frau gerade ein Kind bekam. Und ich bin ein Zimmermann, kein Bauer, also habe ich nie auch nur …“
„Ich brauche dich jetzt“, sagte sie und sah ihm tief in die Augen. Ich war bei Elisabeth, als sie ihr Kind bekommen hat. Ich glaube … ich weiß, dass wir zurechtkommen werden. Aber ich brauch deine Hilfe.“
Sie griff nach ihrem staubigen Schleier, riss ihn sich vom Kopf und gab ihn ihrem Mann. „Schüttle ihn aus und versuche, ihn so sauber wie möglich zu bekommen. Und schau nach, ob du das andere Tuch findest, das blaue. Das reißt du in Streifen. Und…“ Sie biss die Zähne zusammen, als eine neue Wehe einsetzte, „versuch irgendetwas zu finden, in dem das Kind schlafen kann. Wir können ja nicht zulassen, dass es von den Ziegen oder dem Esel zertrampelt wird.“
Er stand auf, um ihren Bitten nachzukommen, und sie stemmte sich ebenfalls in die Höhe. Sie wollte nichts lieber, als sich im Heu zusammenrollen und schlafen, aber vorher hatte sie noch etwas zutun.
Und Gott würde ihr die Kraft dazu geben.
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Maria lag auf der Seite und ballte die Faust fest um das rote Band, das ihr auf der Reise geschenkt worden war. Josef wischte ihr mit einem feuchten Tuch den Schweiß von der Stirn und betete, dass Adonai ihnen die Kraft für die Stunde schenkte, die vor ihnen lag.
Ein plötzliches Stechen, das stärker war als die vorigen, ließ Maria aufschreien, aber dann presste sie die Lippen zusammen und versuchte, sich auf das Atmen zu konzentrieren. Sie wollte nicht an die Schmerzen denken, sondern an das Wunder, das geboren werden würde.
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„Jetzt“, sagte Maria und griff nach Josefs Arm. „Hilf mir aufzustehen. Jetzt!“
Er hielt ihr den Arm hin und half ihr, auf dem unebenen Boden Halt zu finden. Er hatte sauberes Heu zu einer Art Nest zusammengetragen, und Maria kauerte sich darüber.
Als er vor ihr auf die Knie ging, griff sie nach seinen Schultern. „Ich presse jetzt“, sagte sie und ihre Augen schienen vor Anstrengung in ihrem Kopf zu verschwinden. „und du fängst das Kind auf.“
Josef zwinkerte verwirrt. Wie sollte er das denn anstellen?
Er sah ihr zu, und vor lauter Mitleid verzog auch sein Leib sich schmerzhaft, bis Maria aufkeuchte und zwischen ihren Gliedern ein Köpfchen erschien. Josef breitete die Hände aus und fühlte eine warme, nasse Sturzflut über seine Handflächen hinweggehen, bevor ein rosa Kind auf ihnen landete.
Josef starrte auf das Wunder in seinen rauen Handwerkerhänden. Maria schöpfte keuchend Atem und ließ sich dann in das Stroh zurücksinken. Sie deutete auf die pulsierende Nabelschnur, die ihren Sohn noch mit ihr verband.
„Du must sie durchschneiden und abbinden“, erklärte sie und sah ihn mit einem Blick an, der Zuversicht vermitteln sollte. „Lass eine Fingerlänge Schnur dran und schneid den Rest ab.“
Er tat, wie ihm geheißen war, benutzte einen Kieselstein zum Schneiden und band den blutigen Stumpen mit einem Faden aus seinem Gewand ab.“
„Wasch ihn ein bisschen“, flüsterte Maria und stützte sich auf den Ellbogen, weil sie nicht mehr die Kraft hatte zu sitzen. „Wickel ihn in die Streifen aus Tuch, die du gerissen hast, damit er nicht friert … und dann bring ihn zu mir.“
Josef wusch das Kind mit Wasser aus der Viehtränke. Der Neugeborene in seinen Händen hatte dunkles, nasses Haar, eine winzige Nase und einen kleinen Mund. Seine weichen, dünnen Ärmchen wackelten, und an seinen Füßen, mit denen er um sich trat, saßen vollkommene kleine Zehen. Er sah Josef mit einem Blick an, der ihm direkt in die Seele drang.
Als Josef alles ausgeführt hatte, worum Maria ihn gebeten hatte, brachte er seiner Frau das Kind. Maria liefen die Tränen über die Wangen, als sie ihr Gewand zur Seite schob und den Sohn Gottes stillte, der für die ganze Menschheit geboren war.
Josef fiel gar nicht auf, dass auch er weinte, bis er den salzigen Geschmack von Tränen auf seinen Lippen fühlte.


Auszug aus dem Buch: Es begab sich aber zu der Zeit… von Angela Hunt - erschienen im Franke Verlag©
( 240Seiten – zur Zeit im Sonderangebot: statt 9,95€ nur 1,77€)

Eingestellt mit freundlicher Genehmigung des Franke Verlages
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Passagen in weißer Schrift ist der Originaltext des Buches.
 

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