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28.12.09

Es begab sich aber zu der Zeit... Teil 5

Melchior breitete die Sternenkarte auf dem niedrigen Tischchen aus, das mitten im Raum stand, und ließ seine alternden Glieder dann in einen Stapel Kissen sinken. „Seht euch das an, meine Freunde, und sagt mir dann, ob ihr in diesen Karten irgendetwas Auffälliges bemerkt.“
Balthasar beugte sich vor und betrachtete die Karten eingehend. Dann wandte er seinen Blick dem Nachthimmel zu, der durch das offene Fenster zu sehen war. „Ich würde dir gerne eine endgültige Antwort geben, Melchior, aber die Sternekarten können das Rätsel nicht erklären, das dich nachts wach hält.“
„Ein Komet ist es jedenfalls nicht“ Melchiors Blick folgte dem seines Kollegen. Ein neuer Stern stand im Westen, und sein heller Schein und das Rätsel, das ihn umgab, schien sie zu verhöhnen. „Er bewegt sich, aber nicht schnell.“
Caspar hielt die Schriftrollen in seiner Hand hoch. „Glaubst du immer noch, dass dieser Stern mit der Weissagung Bileams zu tun haben könnte?“
Melchior nickte. „Ich bin mir sicher. Der hebräische Prophet Jeremia hat beschrieben, dass der wahre Gott einen gerechten Spross auf dem Thron Davids in Jerusalem setzen würde. Und Jesaja hat vorhergesagt, dass aus dem Stamme von Davids Geschlecht ein Reis aufschießen würde – ein Zweig, der aus der alten Wurzel Frucht hervorsprießen lässt.“
Caspar strich sich über den Bart, den er mit Öl eingestrichen hatte. „Vielleicht hat Bileam ja von David gesprochen.“





„David war ein mächtiger König, der viele Kriege gewonnen hat“, gab Melchior zu, „aber der hat die Feinde Israels nicht vollständig ausgerottet. Nein, ich glaube, dass Bileam von einem anderen König gesprochen hat. Einem Herrscher der in Judäa geboren wird.“
Balthasar bekam große Augen bei der Vorstellung: “und dieser neue König wird noch mächtiger sein als David?“
Melchior wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Sternenkarte zu. „Er wird der Löwe von Juda genannt, deswegen scheint das nahe zu liegen.“
Balthasar nahm sein bronzenes Astolabium wieder auf und drehte an seiner Scheibe. „Das stimmt. Die Worte des Propheten werden in Erfüllung gehen … oder vielleicht haben sie sich sogar schon erfüllt.“
Melchior betrachtete die Sternenkarte genauer. Der betagte König, der momentan auf dem Thron Israels saß, war ein Edomiter, kein Jude, so konnte der König, der noch kommen sollte, nicht von ihm abstammen. Und doch hatte Herodes schon jahrelang mit der Erlaubnis unter der Autorität Roms über Israel geherrscht. Wie konnte irgendjemand sich gegen Rom selbst wenden?
Ein schiefes Grinsen spielte um Caspars gelockten Bart. „Täuschen mich meine Augen, Melchior, oder bemerkte ich so etwas wie Unsicherheit an dir?“
„Du täuscht dich nicht“. Melchior drehte die Karte ein wenig, sah wieder zum Himmel hinauf und seufzte dann. „Wir haben schon mehrere Monate den Himmel und die Weissagung betrachtet. Wir haben einen neuen Stern gesehen, der ungewöhnlich hell strahlt. Aber wir haben keinen letzten, überzeugenden Beweis dafür, dass es irgendwo einen neuen König gibt.“
Er griff nach dem Griffel, tunkte ihn in Tinte und zeichnete den neuen Stern auf der Karte ein. „Wenn der wahre Gott die Geburt des jüdischen Messias ankündigt, tut er es jedenfalls recht unauffällig.“
Ohne jede Vorwarnung ließ Balthasar sein Astrolabium aus der Hand fallen. Das Gerät fiel mit einem lauten Klirren auf den Boden. „Wie habe ich nur so blind sein können!“
Melchior hob fragend die Augenbraue. „Was?“
„Ich habe die ganze Zeit an Zahlen und Konstellationen gedacht. Und dabei hätte ich Wörtern und Bedeutungen meine Aufmerksamkeit schenken sollen.“
Diese etwas merkwürdige Aussage verwirrte Melchior. „Vielleicht erklärst du besser was du meinst.“





Balthasar trat wieder an den Tisch heran, auf dem Melchior die Sternenkarte ausgebreitet hatte. „Schaut doch mal, schaut mal hier! Wir sind auf dieses Rätsel aufmerksam geworden, als Venus und Jupiter zusammen trafen, erinnert ihr euch? Aber schaut euch einmal an welche Sterne ein paar Tage später aufeinander stießen.“ Er nahm seine Armillarsphäre auf, drehte an den Bögen und reichte das Instrument dann an Melchior weiter. „Siehst du jetzt was ich meine?“
Melchior starrte auf das Gerät. ich verstehe. Venus ist auf Merkur gestoßen. Das war vor vier Monaten.“
Balthasar strahlte so wie ein armer Mann, der unvermittelt einen Sack mit Gold gefunden hat. Venus ist fruchtbar, Venus ist die Mutter. Merkur ist der Bote Gottes. Vor vier Monaten hat der Bote die Mutter besucht.“
Melchior starrte auf die Sphäre in seiner Hand und war zum ersten Mal seit langen um Worte verlegen.
„Das ist ja interessant“, machte sich Caspar träge von seinem Kissen aus bemerkbar, „aber es könnte doch ein Zufall sein. Merkur und Venus treffen schließlich recht oft aufeinander… „
„Aber schau dir das hier einmal an!“ Balthasar nahm die Amilllarsphäre wieder von Melchior entgegen und drehte an der Mechanik in ihrem Innern. „Dein rätselhafter Stern, Melchior, ist eigentlich kein Rätsel. Ich kann seine Spur nun verfolgen. Es ist der Stern, den Römer Regulus nennen. Bei uns heißt er Sharu.“
Melchior lehnte sich in seine Kissen zurück, als der das Wort für König in zwei Sprachen hörte. „Warum ist mir das bloß nicht aufgefallen?“
Weil er heller ist als gewöhnlich. Und weil du es noch nie erlebt hast, dass Jupiter ihn fast überlagerte. Dass sich Jupiter, Venus und Sharu sich so nahe kommen, wird zu unserer Lebzeit nicht mehr passieren … nein, nicht einmal in der Lebenszeit der Kinder unserer Enkel.“
Melchior blickte weiter auf die Sternenkarte, während Balthasar fortfuhr. „In den nächsten Monaten wird Jupiter dreimal im Sternbild des Löwen auf Sharu treffen. Und alle drei mal wird Jupiter, der Vater der Könige, über Sharu kreisen, der zwischen den Füßen des Löwen erscheinen wird.“
Melchior schloss die Augen, als ihm die alte Weissagung nur allzu lebendig ins Gedächtnis trat. Das Zepter wird von Juda weichen, noch der Herrscherstab von seinen Lenden bis er kommt…
Venus, Jupiter, Sharu.
Mutter, Vater, König.
Der Löwe von Juda.
Er stand abrupt auf und ging aus dem Raum.





Melchior hatte gerade den Deckel seiner Truhe hochgehoben, als er seine Kollegen heranschlurfen hörte. Einen Augenblick lang standen Balthasar und Caspar im Türrahmen und starrten ihn nur wortlos an, dann legte Balthasar eine Hand auf die Brust. „Melchior… mein Freund, was tust du denn da?“
„Ich packe!“
„Darf man auch erfahren warum?“
„Ich werde den Löwen von Juda begrüßen. So eine Gelegenheit hat man nur einmal im Leben; denkst du ich lasse mir das entgehen?“
Balthasar räusperte sich: “Du willst allen Ernstes ins Land Judäa reisen?“
Caspar und Melchior warfen sich einen Blick zu, und dann durchbrach Caspar die Stille: „Melchior, das Land, von dem du redest, ist schrecklich weit weg. Wir werden ja glatt ausgelacht, wenn wir sagen, dass wir einem Stern folgen.“
Caspar lachte kurz und gekünstelt auf. Melchior wandte sich an Balthasar: „Aber du kommst doch gewiss mit?“
Der Astronom blinzelte verwirrt. „Wir können seinem Verlauf doch auch von hier folgen“
„Aber ich will nicht den Stern sehen, sondern den, zu dem er hinführt. Ich möchte dem Stern folgen, nicht seinem Lauf.“

Ich versteh euch nicht, „Wollt ihr denn nicht wissen was Gott offenbart hat? Kommt, lasst uns gehen. Alle zusammen.

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Auszug aus dem Buch: Es begab sich aber zu der Zeit… von Angela Hunt - erschienen im Franke Verlag©
( 240Seiten – zur Zeit im Sonderangebot: statt 9,95€ nur 1,77€)

Eingestellt mit freundlicher Genehmigung des Franke Verlages

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Passage in weißer Schrift ist der Originaltext des Buches.  

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Thank you for the nice photos and the Christmas figures. God bless you, Christian friend.
I am an American from Memphis, Tennessee, USA.
_Janet