Lukas, Kapitel 21 In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl an alle Bewohner seines Weltreichs, sich ´in Steuerlisten` eintragen zu lassen. 2 Es war das erste Mal, dass solch eine Erhebung durchgeführt wurde; damals war Quirinius Gouverneur von Syrien. 3 So ging jeder in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen.4 Auch Josef machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Haus und zur Nachkommenschaft Davids und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazaret in Galiläa hinauf nach Betlehem in Judäa, der Stadt Davids, 5 um sich dort zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen zu lassen. Maria war schwanger.
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Rom wird uns immer bis aufs Letzte ausnehmen“, krächzte Marias Großvater. „ Der Kaiser hält uns gefügig, indem er uns arm hält.“
Aus dieser Volkszählung kann gar nichts Gutes kommen“, beharrte Aaron. „Wer soll denn auf die Tiere aufpassen wenn wir alle in einer Schlange stehen? Wer wird die Löhne der Leute bezahlen, die unsere Namen aufschreiben? Wir doch alle, durch unsere Steuern.“
Aaron lachte: “Immerhin können wir uns hier einschreiben lassen. Ich habe gehört, der Rabbi muss bis Kapernaum reisen. Da ist er glatt 2 Tage unterwegs!“
„Zwei Tage, an denen er seiner Arbeit nicht nachgehen kann.“ Marias Vater schüttelte den Kopf. „Das ist doch eine Schande!“
Josef, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, ließ sein Brot sinken. „Ich kann mich nicht in Nazareth einschreiben lassen“.
Eine betretene Stille legte sich um die Gemeinschaft, und die anderen Männer starrten Josef an.
„Der Befehl“, fuhr Josef fort, „hat besagt, dass jeder Mann an den Ort seiner Vorfahren reisen muss. Also muss ich nach Bethlehem gehen.“
Marias Mutter sah besorgt zu ihrer Tochter hin und kniete dann neben ihrem Schwiegersohn nieder. „Das kann nicht sein! Bis nach Bethlehem sind es mehr als hundert Meilen. Du kannst nicht so lange wegbleiben!“
Josef lehnte sich ein Stück vor, um Marias Blick aufzufangen. „Ich reise ja nicht allein. Jedes Mitglied meiner Familie muss mitkommen.“
„Sicher“. Aaron zuckte die Schultern zuckte die Schultern. „Dein Bruder und dein Vater müssen auch dorthin. Alt genug sind sie ja.“
Josef sah direkt zu Maria hin und in seinem Blick schien ein merkwürdiger Eifer getreten zu sein. „An meinen Bruder und meinen Vater hatte ich dabei nicht gedacht.“
Maria folgte dem Beispiel ihrer Mutter und kniete nieder, als ihr bewusst wurde, was die Volkszählung für sie bedeuteten würde.
„Mein Vater und mein Bruder müssen noch ein Boot fertig stellen, das sie gerade an der Küste bauen“, fuhr Josef fort. „Sie werden etwas später reisen, wenn sie fertig sind. Der Monat ist ja noch lang. Ich dagegen würde gerne schon morgen aufbrechen, weil jeder Tag, den wir zögern, meiner Frau nicht gut tun wird.“
Maria blinzelte verwirrt und überlegte, wie weit Bethlehem entfernt war. Der Geburtsort von König David lag so weit weg wie Juttah; schon für die Hinreise würden sie mindestens eine Woche brauchen. Dann würden sie sich einschreiben lassen und dann hatten sie immer noch die Rückreise vor sich …
„Kommt gar nicht in Frage!“ Die Stimme ihrer Mutter durchbrach das Schweigen. „Maria bleibt hier, Es kann keiner ernsthaft erwarten, das ein Mädchen in ihrem Zustand …“
„Die Römer machen da keine Ausnahme.“ Joaquim fing Josefs Blick auf. „Du hast Recht. Maria muss mitgehen, damit müssen wir uns abfinden.“
Maria suchte nach Worten, um das Unausweichliche erträglicher zu machen. „So weit ist die Reise nicht, Mutter. Es kann ja sein, dass wir wieder zurück sind, bevor …“
Annas Nasenflügel bebten. „Das liegt im Willen Adonais, nicht in deinem!“
Maria konnte sich ihr Lachen nur schwer verkneifen. Adonai hatte offensichtlich beschlossen, dass sie diese Reise antrat. Aber da er sie bisher so gut beschützt hatte, würde sie Ihm vertrauen, dass er auch weiterhin für sie sorgen würde, je näher die Geburt rückte.
Sie richtete sich auf und blickte Josef fest in die Augen. Diese tiefen, brauen, unergründlichen Brunnen gaben ihr die nun Kraft. “Ich gehe“, sagte sie einfach, „mit meinem Mann“.
Ihre Mutter keuchte und hielt sich erschrocken eine Hand vor den Mund, aber als Maria zu ihrem Vater hinsah, bemerkte sie so etwas wie widerwillige Bewunderung in seinem Blick. Er sah kurz zu der Kugel hin, die sich unter ihrem Gewand abzeichnete, und wandte sich dann in sachlicher Art, mit der Männer untereinander zu reden pflegen, an seinen Schwiegersohn. “Ihr zieht besser am frühen Morgen los. Und seht zu, dass ihr euch nicht mehr auf den Straßen aufhaltet als nötig.“
„Ich beschütze sie“, versprach Josef. „Und das Kind“.
„Die Straße um Samaria herum ist die sicherste“, fuhr Joaquim fort, als hätte er ihn nicht gehört, „aber der direkte Weg ist der schnellste. Wenn es dir weise erscheint, zieht durch Samaria, aber haltet euch nicht länger auf als unbedingt nötig.“
Zum ersten Mal an diesem Tag rührte sich so etwas wie Angst in Maria. Das Verhältnis zwischen Juden und Samaritern war immer schon angespannt gewesen, aber vor kurzem hatten Leute in Nazareth von einer Gruppe in Nain gehört, die auf einer Straße in Samaria überfallen und ausgeraubt worden war. Es gab so viele Geschichten davon, wie Leute auf ihrer Pilgerreise nach Jerusalem ermordet worden waren, dass nur wenige Reisende wagten, den direkten Weg nach Süden zu nehmen.
„Ich verspreche dir“, sagte Josef, dass ich sie und ihr Kind unter Einsatz meine Lebens verteidigen werde.“
Sie liefen mehrere Meilen auf unbefestigten Wegen hin zu der breiten Straße, die direkt nach Süden führt, durch Samaria hindurch. Josef besprach den Weg, den sie nehmen sollten, nicht mit Maria, aber sie wusste, dass er Adonai vertraute, sie sicher durch feindliches Gebiet zu bringen.
Als ehrerbietige Ehefrau hielt sich Maria einlege Schritte hinter ihrem Mann, der den Esel führte. Obwohl sie festen Herzens und entschlossenen Schrittes losgezogen war, zehrte das zusätzliche Gewicht, das sie zu tragen hatte, bald an ihrer Kraft. Josef spürte ihre Mutlosigkeit wohl und hörte die müder schlurfenden Schritte, aber immer wenn er sich umwandte und nach ihr sah, reckte sie das Kinn in die Höhe und lächelte ihn an. Sie wollte nicht, dass er ihretwegen langsamer ging.
Gegen Mittag jedoch, als sie versuchte, auf einer steil abfallenden Straße das Gleichgewicht zu halten, brachte sie nicht mehr die Kraft auf, Optimismus auszustrahlen. An einer Stelle kam ein römischer Wagen auf sie zugefahren, und Josef zog den Esel an den Straßenrand, wie es vorgeschrieben war. Auch Maria trat von der Strasse und merkte, wie ihre Beine auf der weichen Erde nachgaben. Unfähig, auch nur den Kopf zu heben, blieb sie einfach im Straßengraben liegen und schloss die Augen. Ihretwegen mochte die ganze Welt vorbei galoppieren.
Sofort kniete Josef an ihrer Seite. „Maria! Ist dir etwas passiert?“ sie schüttelte kraftlos den Kopf, hielt die Äugen aber geschlossen. „Lass mich einfach ausruhen, bis der Wagen vorbei ist.“
Sie hörte, wie Josef tief Luft holte und wie seine Sandalen im Kies am Straßenrand knirschten, und dann roch sie die Pferde und die Römer und den Schweiß langer Reisen. Der Wagen fuhr in einem Lärmen von Hufen und Gepolter an ihr vorbei und dann stützten Josefs starke Arme ihr den Hals und den Rücken, damit sie sich aufsetzen konnte.
„Von hier ab reitest du“, sagte er, und seine Stimme klang dabei so fest wie die ihres Vaters, wenn ihm etwas wirklich ernst war. „Der Esel hält dein Gewicht schon aus.“
Sie riss die Augen auf. „Der Esel trägt doch schon die ganzen Vorräte!“
„Die kann ich ja tragen.“
Sie sah ihn mit amüsierten Erstaunen an, „Du wirst in Galiäa zum Gespött der Leute, Josef! Kein Mann würde je das Gepäck auf den Rücken nehmen und seine Frau auf das Tier setzen. Ich kann dir das nicht erlauben. Lass mich hinter dir her gehen, wie es sich gehört.“
„Maria.“ Die Entschlossenheit ließ ihn die Augen zusammenkneifen, so dass sie nur noch dunkler und unergründlicher schienen. „Du bist meine Ehefrau und wirst mir gehorchen. Und ich bestimme hiermit, dass du auf dem Esel reitest. “Maria öffnete schon ihren Mund, um noch einmal zu widersprechen, aber sie schloss ihn wieder. Der Mann hatte längst seinen Ruf aufs Spiel gesetzt, um ihren zu retten. Was konnte es ihm nun schon ausmachen, wenn ein paar Fremde ihn komisch fanden?
Sie legte den Arm um seine Schultern und ließ sich aufhelfen. „Der Esel …“, meinte sie und verschränkte die Arme über den Bauch, das arme Tier wird gar nicht wissen, was es mit mir anfangen soll.“
„Das muss es ja auch nicht“, sagte Josef und grinste sie an, „Ich werde den Esel jeden einzelnen Schritt führen.“
Auszug aus dem Buch: Es begab sich aber zu der Zeit… von Angela Hunt - erschienen im Franke Verlag ©
( 240Seiten – zur Zeit im Sonderangebot: statt 9,95€ nur 1,77€)
Eingestellt mit freundlicher Genehmigung des Franke Verlages
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Passage in dieser Farbe ist der Bibeltext nach der Schlachter Übersetzung als verbindendes Wort.
Passage in weißer Schrift ist der Originaltext des Buches.
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