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24.12.08

Der König mit den leeren Händen


In dem sonst eher ruhigen Dorf herrschte große Aufregung. Nicht, dass etwas außergewöhnliches passiert wäre. Kein Unglücksfall, keine Familientragödie, keine Unterschlagung. Eigentlich kein Grund zur Aufregung. Und doch war es etwas Außergewöhnliches.

Ich will lieber von vorne beginnen: Seit Menschengedenken war es Sitte, dass zur Weihnachtszeit im großen Saal des Gasthofes „Bären“ ein Krippenspiel aufgeführt wurde. Man war sich auch einig, dass solch eine Aufführung viel besser in die Kirche passen würde. Aber die Kirche hatte keine Bühne – und dort, wo man hätte spielen können, stand schwerfällig und unverrückbar der Taufstein. Also ging man in den großen Saal des „Bären“ und erhob ihn für die Dauer der Aufführung in den Rang eines kirchlichen Raumes.

Seit Menschengedenken wurden die Krippenspiele von den Kindern und Jugendlichen des Dorfes durchgeführt. Die Erwachsenen waren höchstens so weit daran beteiligt, dass sie ihre Sprösslinge ermutigten und ihnen zu Hause beim Einüben der Rollen halfen. Selbstverständlich bildeten sie dann bei der Hauptaufführung das interessierte und applaudierende Publikum.

Das war also schon immer so. Am guten Gelingen dieser Krippenspiele waren nicht nur der Pfarrer und der Lehrer, sondern auch der Bärenwirt und die Vorstandsmitglieder aller Dorfvereine interessiert.
Wer dann eigentlich zuerst den Gedanken hatte, weiß niemand mehr so recht. Jedenfalls hieß es im Spätherbst im Dorf: diese Jahr sollen die Erwachsenen das Krippenspiel aufführen. Die Idee fand begeisterte Anhänger – aber auch Skeptiker. Das Spiel der Kinder sei doch immer so schön gewesen, hieß es. Es sollte ja auch nur eine Ausnahme sein. Im nächsten Jahr würden ganz bestimmt wieder die Kinder an die Reihe kommen.

Den Ausschlag gab dann schließlich der Bärenwirt mit den Worten: "An mir soll es nicht fehlen. Ich spiele den Wirt, und bei mir ist dann Raum in der Herberge!" Er wollte wohl mit dieser Bemerkung das Image aufbessern, das seit jener Episode in der Weihnachtsgeschichte seinem Berufsstand als Makel anhaftete.

Schon bald hatten sich so viele zum Mitspielen bereit erklärt, dass kein "Personalmangel" herrschen würde.

Der Lehrer der Oberstufenklasse wollte eigens ein Krippenspiel schreiben. "Speziell für Erwachsene", wie er sagte.

Bei der Rollenverteilung gab es keine Schwierigkeiten, lediglich eine kurze Diskussion, als die Bärenwirtin sich als "Maria" anbot. Das gehe doch nicht, meinte der Apotheker, wenn der Bärenwirt die Rolle des Wirtes übernehme. Dieser könne doch nicht seiner eigenen Frau die Tür verbieten und sie in den Stall verbannen. In den Wochen vor Weihnachten wurde eifrig geprobt. Alle waren mit Freude und Begeisterung dabei. Irgendwie war das kommende Ereignis Dorfgespräch Nummer eins.

Und dann geschah es! Es waren gerade noch zehn Tage bis Weihnachten - das Proben ging bereits in Hauptproben über -, da rief mitten in der kostümierten Spielerschar der Älteste des Sparkassenverwalters: " Wir haben ja in unserem Krippenspiel die Könige vergessen."

Wie vom Blitz getroffen standen alle da, schauten sich Hilfe suchend um, als suchten sie die vergessenen Könige. Wirklich - es gab keine Könige. Jeder der Anwesenden wusste, dass Könige zum Weihnachtsspiel gehörten, aber niemand hatte sie bisher vermisst.

Man gab dem Lehrer die Schuld, der das Stück geschrieben hatte. Dem "Herodes" warf man vor, dass er es hätte bemerken müssen, denn die Könige müssten doch bei ihm vorbeikommen.

Nun war guter Rat teuer. Alle waren sich einig: Wir brauchen noch drei Könige.
Durch alle Haushaltungen des Dorfes eilte am nächsten Morgen die Nachricht: Wer die Rolle eines Königs übernehmen wolle, solle sich melden. Einzige Bedingung: Er müsse ein Geschenk mitbringen, das er dem Kind in der Krippe darreichen sollte, ein persönliches Geschenk!

Der Bärenwirt meinte noch: Der Sohn des Sparkassenverwalters hat ja den Mangel zuerst entdeckt. Sein Vater soll einen König spielen! Dem würde es ja wohl nicht an einem passenden Geschenk fehlen, fügte er verschmitzt lächelnd hinzu. Doch der Sparkassenverwalter winkte ab. Lückenbüßer wollte er nicht sein.

Zu guter Letzt hatten sich dann doch drei Könige ein- gefunden. Genauer gesagt: Es war eine Königin dabei!

Was sie an der Krippe sagen sollten und was sie mitbringen wollten, war ihnen überlassen worden. Es sollte sozusagen die Überraschung des Spieles werden.

Der Weihnachtstag kam, und die Stunde der Aufführung rückte näher. War in anderen Jahren der Bärensaal zum Krippenspiel wohl gefüllt, so war er dieses Jahr überfüllt. Niemand wollte sich das Spiel der Erwachsenen und den Auftritt der vergessenen Könige entgehen lassen.

Es herrschte eine gespannte Aufmerksamkeit. Die Geschichte mit den Engeln auf Betlehems Feldern, die Herbergssuche, der Aufbruch der Hirten - alles wurde in gut einstudierten Szenen dargeboten. Aber der Höhepunkt, das war allen klar, würde diesmal die Schluss-Szene mit den Königen sein.

Doch was war denn das? Vom Seiteneingang der Bühne näherten sich drei ganz gewöhnliche Gestalten. Der Rentner Luginbühl von der Brunnengasse, in der Hand zwei Krücken aus Aluminium, die junge Frau Häuselmann, deren Mann ein Architekturbüro in der nahen Kreisstadt betrieb, und der „unstete Amerikaner". Letzterer hieß natürlich nicht so. Es war Alfred Benziger, der viele Jahre als Monteur in aller Welt herum- gekommen war und sich so seinen Spitznamen erworben hatte.

Diese drei kamen nun auf die Bühne. Ohne Kostüme keine Kronen, keine Kamele, keine Diener. Rein nichts! Einfach so! Wie wenn es gewöhnlicher Alltag wäre!

Ein kurzes Raunen ging durch den Bärensaal, das aber sofort wieder verstummte, als die drei sich der Krippe näherten. Zuerst kniete der Rentner Luginbühl nieder, wie wenn er die gespannte Stille noch auf einen Höhepunkt treiben wollte,verharrte er unbeweglich an der Krippe. Dann legte er die beiden Krücken über die Krippe. Noch immer fiel kein Wort. Nur das kalte Klingen der Aluminiumkrücken verursachte ein Geräusch.

In die Stille hinein ertönten die knappen Worte des alten Mannes: Viele Wochen diese Jahres musste ich an den Krücken gehe. Schon meinte ich, dass sie meine Begleiter ins Alter bleiben würden. Doch ich durfte Heilung erfahren und kann nun wieder gehen. Gott hat mir geholfen. Als Zeichen meines Dankes bringe ich dir, du Kind in der Krippe, diese Krücken. Du sollst fortan mein Halt sein!“

Wieder entstand ein leichtes Raunen im Saal. war es Zustimmung? War es gar Unmut?

Was würde wohl die beiden andere Könige dem Kind bringe? Es musste etwas Kleines sein, das sie in ihrer Manteltasche verbargen. Jedenfalls hatten sie sonst nichts in der Hand.

Als nächste würde Frau Häuselmann, die Königin, ihr Geschenk abgeben.

Frau Häuselmann war erst einige Jahre verheiratet, hatte aber bereits drei klein Kinder, die sie ganz schön auf Trab hielten.

Mit heller, klarer Stimme sagte sie: “Am Traualtar habe ich meinem Mann das Ja zur Treue gegeben, ich habe dieses Ja nicht gebrochen. Es war aber auch ein Ja zum Muttersein, zur Hausfrau. Dieses Ja ist mir in letzter Zeit immer schwerer gefallen. Ich sehnte mich nach Freiheit. Ich wollte ausbrechen, anderes tun. Den Gleichschritt im Alltagstrott verlassen. Unzufriedenheit ist in meinem Herzen eingekehrt. – Nun bringe ich dir, Kind in der Krippe, das erneute Ja zu meinem Leben, zu meiner Situation, zu meiner Familie und meinem Alltag. Ich möchte dich mit hineinnehmen!“

Und wieder war ein Raunen zu vernehmen. In den hinteren Reihen klatschte eine andere junge Frau Beifall, hörte aber sofort auf, als niemand mitklatschte.

Nun war also der „unstete Amerikaner“ an der Reihe. Er schien es nicht eilig zu haben. Oder hatte er vergessen, was er sagen wollte? Hatte er vergessen was er schenken wollte?

Gebannt starrten alle auf seine Hände, die er gefaltet an sein Brust drückte. Er musste das klein Geschenk wohl schon in den Händen halten.

Da streckte er die beiden Arme aus, öffnete die leeren Hände und sagte: Was soll ich dir bringen, Kind in der Krippe? Ich habe nichts, was dir gefallen könnte, wie ich auch gesucht und überlegt habe. Nichts hat der Frage standhalten können: Ist das ein würdiges Geschenk für das Kind in der Krippe? – Noch im letzten Augenblick wollte ich meine Rolle als König zurückgeben. Oder einfach nicht erscheinen. Aber das hätte meine Frage nicht gelöst. Nun bin ich hier mit leeren Händen. Nicht, weil ich nichts bringen wollte, sondern, weil ich mich bringen wollte. Wenn du leere Hände brauchen kannst, du Kind in der Krippe, dann nimm sie an. Wenn du leere Hände füllen willst, dann tue es!“

Lange hielt er die leeren Hände ausgestreckt, der „unstete Amerikaner“, der König mit den leeren Händen. Er hatte die Augen geschlossen und schwieg.

Es war ein unüblicher Schluss eines Krippenspieles. Doch das bekümmerte ihn nicht.

Wortlos verließen die Leute den Saal. Nur das Trappeln vieler Füße war zu hören. Ob noch andere leeren Hände sich ausgestreckt hatte, sah man nicht. – das Kind in der Krippe hätte es bestimmt gesehen!
Mit freundlicher Genehmigung des Autors!
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Ich wünsche euch allen ein Nachdenken über das was wir bringen können, oder über das was wir nicht bringen können. Werden wir doch ehrlich vor Gott und bringen unsere leeren Hände! Lassen wir sie füllen von Ihm, der dazu Mensch wurde und auf diese Erde kam, für uns starb und auferstand, um unsere leeren Hände zu nehmen und zu füllen!
Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest in aller Besinnlichkeit
wünsche ich uns Allen

 

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gesegnete Weihnachten
wünsche ich Dir und Deiner Familie
EVA

Fuchsienrot hat gesagt…

Liebe Guilitta,
auch ich wünsche dir noch besinnliche und schöne Weihnachtsfeiertage im Kreise deiner Lieben.
Die Geschichte über den König mit den leeren Händen ist sehr schön und wahrlich nachdenkenswert!
LG
Angelika